Ob Falafel, Mieten oder Nahverkehr – Durch die steigenden Preise wissen viele nicht, wie ihr Geld bis zum Ende des Monats reichen soll. Die Energiepreise treffen uns Münchner:innen dabei besonders stark.
Da das Münchner Fernwärmenetz noch immer zu 49% mit Erdgas gespeist wird, haben die Stadtwerke München beschlossen, die Preise im Vergleich zu Anfang 2021 um das Dreifache von 55 Euro auf 180 Euro pro Megawattstunde (kurz MWh) zu erhöhen. Die Folge sind bei einer durschnittlichen Wohnung mit 92 m² und 12 MWh pro Jahr Heizbedarf jährliche Kosten von etwa 2.160 Euro statt früher 660 Euro.
Doch das müsste nicht sein, denn erneuerbare Energien wären weitaus günstiger. In Unterföhring, wo zu 90% mit Geothermie geheizt wird, zahlt der gleiche Haushalt nur halb so viel mit 97 Euro/MWh und landet damit bei “nur“ 1.160 Euro.
Die SWM versucht sich währenddessen aus der Affäre zu ziehen und argumentiert mit den drastisch gestiegenen Spotmarkt-Preisen für Gas. Diese Argumentation geht aber in zweierlei Hinsicht nicht auf: Denn erstens wird Gas zu langfristig abgeschlossenen Lieferverträgen bezogen, die durch Preisschwankungen nicht so stark bestroffen sind wie behauptet. Zweitens zeigen andere Städte, die noch viel mehr von Gas abhängig sind, dass die Münchner Preise in keinster Weise zu rechtfertigen sind. Die Nürnberger Fernwärme wird zum Beispiel zu 90% durch Erdgas erzeugt und kostet dennoch nur 130 Euro/MWh. Für unsere Durchschnittswohnung bedeutet das also Kosten von 1.560 Euro; 600 Euro weniger als in München.
Erdgas ist allerdings allgemein teuer und wie man an Unterföhring sieht, wären mit Geothermie weitaus günstigere Fernwärmepreise möglich.
Doch auch wenn die SWM sich als Vorreiter im Klimaschutz darstellen, hinken sie ihren eigenen mangelhaften Ausbauzielen der Geothermie hinterher. Das Kerngeschäft – in HKW Süd Gas und in HKW Nord 2 Kohle zu verbrennen und Haushalte mit Gas zu beliefern – war bisher profitabler für sie. Denn die Baukosten dieser Kraftwerke haben die SWM seit Jahrzehnten wieder reingeholt. Eigentlich wäre es sinnvoll und nachhaltig, wenn die SWM die dezentrale Wärmeversorgung mit neuen Geothermie-, Solarthermieanlagen und Wärmepumpen fördern würden, zumal dem Tiefengeothermiepotential in München von 3250 GWh pro Jahr ein prognostizierter Fernwärmebedarf von 6000 GWh im Jahr 2050 gegenüberstehen. Doch das würde auch neue Ausgaben und betriebswirtschaftliche Unsicherheit bedeuten.
Erst massive zivilgesellschaftliche Proteste und ein erfolgreiches Bürgerbegehren führten dazu, dass die Abschaltung des Münchner Kohlekraftwerks erfolgen sollte. Die Bundesnetzagentur durchkreuzte diese demokratische Entscheidung, da das HKW Nord 2 systemrelevant wäre. In einem äußerst unwahrscheinlichen Grenzfall müsste auf dieses wieder zurückgegriffen werden. Dies führte dazu, dass in München auch weiterhin Kohle verbrannt wird, so lange es nicht genügend ausgleichende Wärmeerzeugungskraftwerke gäbe. Kein Wunder, dass der Geothermieausbau langsamer läuft: statt geplanten 5 Anlagen gehen bis 2023 nur 2 ans Netz. Statt diesen Ausbau zu verstärken, planten die SWM daneben inmitten der Klimakrise den Neubau eines Gaskraftwerks, der ebenfalls erst durch Proteste der Gemeinde Unterföhring abgewendet werden konnte.
So liegt der erneuerbare Anteil der Fernwärmeenergie im Münchner Netz gerade mal bei 11%, obwohl die hiesigen geologischen Bedingungen ideal für Geothermie sind. Die SWM nutzen also nicht die bereits vorhandene Wärmeenergie tief aus dem Inneren der Erde oder fördern dezentrale Wärmeversorgung wie Wärmepumpen. Vielmehr schlagen sie immer noch Profit aus fossilen Energien – möglicherweise aus ausgebeuteten Ländern. So kommt es etwa bei der Förderung von Steinkohle in Kolumbien immer wieder zur Vertreibung indigener Menschen und Gewerkschafter:innen sowie zu Todesfällen. Woher die SWM ihre Steinkohle beziehen, bleibt auch nach dem Ausschluss Russlands durch das EU-Embargo ein gut gehütetes Unternehmensgeheimnis. Die CO2-intensive Verbrennung von Kohle heizt die Klimakrise und Umweltzerstörung weiter an. Die Folgen sind schon heute unzählige durch Klimaereignisse Vertriebene und Tote, beispielsweise durch gravierende Überschwemmungen, die 2022 allein in Pakistan 33 Mio Menschen betreffen.
Die Gaskrise zeigt auf, dass auch die Beteiligung der SWM am Unternehmen Spirit Energy, das in der Nordsee Öl und Gas fördert, rein gar nichts mit der Versorgungssicherheit zu tun hat, weil durch das europäische Erdgasnetz überhaupt keine direkte Belieferung möglich ist. Tatsächlich soll das Geschäft mit der Förderung eine reine Cash Cow sein – und ist es durch die Energiekrise aktuell erstmals auch.
Der absurde Gewinn, den die Sprit Energy dieses Jahr durch den hohen Gaspreis macht, kann jedoch nicht die wirtschaftlichen Fehlentscheidungen zugunsten fossiler Energie der letzten Jahrzehnte ausgleichen. Zwar sind die Spirit Energy nach langen Protesten gegen die Stadtwerke aus dem Großteil der Erdölförderung in der Nordsee ausgestiegen, doch die Gasförderung wird unvermindert fortgesetzt und mit Märchen von zukünftiger klimaneutraler Wasserstofferzeugung grün gewaschen.
Das passt gut zu der Greenwashing-Werbekampagne der SWM: “Heute: 90% Ökostrom für München – und MORGEN? Ist ganz München klimaneutral“, steht da auf den Plakaten. Die Zahlen zeigen, dass die Realität nicht ferner sein könnte: Weniger als 7% des in München erzeugten Stroms kommen aus erneuerbaren Energiequellen. Beteiligungen an Windparks aus Solarkraftwerken in Norwegen, Finnland, Polen und Spanien haben keine Auswirkung auf den Strommix in München.
Die Stadtwerke als städtisches Unternehmen agieren ebenso rücksichtslos wie privatwirtschaftliche Konzerne. Das zeigt uns die Zwänge des Kapitalismus auf: Auch staatliche Konzerne müssen gewinn- anstatt bedürfnisorientiert wirtschaften. Im Vordergrund stehen also eher Überlegungen, wie man mit maximalen Profit Heizwärme an die Münchner:innen verkaufen kann, ohne, dass die auf die Barrikaden geht. Die Belange der Bevölkerung oder gar Klimaschutz können in den strategischen und operativen Unternehmensentscheidungen immer bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. Das verschärft die weltweiten ökologischen und sozialen Krisen. Doch wir sind nicht länger bereit, das zu schultern!
Die Lösung ist klar: Wir müssen das gesamte Wirtschaftssystem und damit die Energieunternehmen demokratisieren. Zwar stehen die SWM unter der Kontrolle des Stadtrats, doch auch dieser ist innerhalb des Kapitalismus gezwungen, der Logik des Wettbewerbs zu folgen. Um das Energiesystem dem Zwang zur Profitmaximierung zu entziehen, müssen wir den Kapitalismus überwinden. Das bedeutet, dass wir Energiesysteme nicht nur verstaatlichen, also in die Hand des kapitalistischen Staates bringen. Nein, wir müssen sie vergesellschaften, damit wir alle gemeinsam entscheiden können, wie wir Wärme erzeugen, ohne weiterhin die Umwelt zu zerstören und andere Menschen auszubeuten. Mit sozial gerechter erneuerbarer Energie für alle stoppen wir die Klimakrise UND stellen sicher, dass unsere Wohnungen auch im Winter warm bleiben!
Kommt am 08.11. um 16:30 vor die Stadtwerke Zentrale, um auf einer gemeinsamen Kundgebung unseren Protest auf die Straße zu bringen und mit Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen!