Heute waren wir auf der Kundgebung von Fridays for Future zu den Tarifverhandlungen im öffentlichen Nahverkehr und haben dazu folgende Rede gehalten:
Die öffentlichen Verkehrsmittel sind die natürlichen Verbündeten der Klimabewegung. Denn wenn wir den CO2-Ausstoß verringern wollen, dann müssen wir den Individualverkehr verringern. Und zwar: schnell.
Was wir also brauchen, ist mehr Geld im öffentlichen Nahverkehr. Alleine um den Nahverkehr im heutigen Umfang zu erhalten, müssten bis 2030 etwa 100.000 neue Beschäftigte eingestellt werden. Den Nahverkehr zu erhalten, reicht aber nicht. Er muss ausgebaut werden. Und zwar: massiv.
Der Nahverkehr in Deutschland ist seit Jahrzehnten unterfinanziert. Mit der Privatisierung des Nahverkehrs Anfang der 2000er gab es krasse Einsparungen. Die privaten Betreiber wollen zuallererst ihren Profit maximieren. Sie erbringen die vereinbarte Leistung so billig wie möglich. Darunter leiden als erstes die Mitarbeiter*innen. Ob es ein vernünftiges Angebot gibt, ist nur Nebensache. Und auch die städtischen Betriebe wie die MVG müssen sich in diesem Wettbewerb behaupten und Gewinne erwirtschaften. Das wird von der EU durch Verordnung Nr. 1370 so vorgeschrieben.
Und das, obwohl immer mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen wollen. Seit 1998 ist die Zahl der Fahrgäste um 24 Prozent gestiegen, die Zahl der Beschäftigten jedoch gleichzeitig um 18 Prozent gesunken. Das bedeutet ein deutlich höheres Arbeitspensum und mehr Stress für die Beschäftigten. Busfahrer zum Beispiel haben bis zu 12 Stunden lange Schichten und zwischendrin wegen Verspätungen und Störungen kaum Pausen. Auf Dauer sind solche Arbeitsbedingungen gesundheitsschädlich.
Und das alles, während der Klimawandel unaufhaltbar fortschreitet. Der Autoverkehr in Deutschland macht rund 20 Prozent der CO2 Emissionen aus und ist damit der drittgrößte Faktor nach Industrie und Energiegewinnung.
Öffentlicher Nahverkehr ist nicht gewinnorientiert, sondern dient dem Gemeinwohl. Er ist daher auch weniger profitabel als die Autoindustrie. Die Automobilkonzerne haben aber durch Lobbyismus sehr großen Einfluss auf die Politik der Bundesregierung. Mehr Einfluss als ein Jahr FFF auf der Straße. Während wir zu Millionen hart für eine Verkehrswende oder den Kohleausstieg kämpfen, muss BMW nur einmal anrufen und bekommt sofort Staatshilfen für Kurzarbeit zugeschoben. Obwohl sie gleichzeitig 1,64 Milliarden Euro als Dividenden an ihre Aktionär*innen ausschütten. Gleichzeitig schreiben die Lobbyisten mehr oder weniger direkt an den Gesetzen der Regierung mit. Das ist nicht nur irgendwie unfair, sondern total undemokratisch.
Kommen wir zurück zu den Tarifverhandlungen, die diesen Sommer anstehen. Die Gewerkschaft Verdi fordert für die Angestellten im Nahverkehr eine bessere Bezahlung, Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich und geregelte Pausenzeiten. Ferner geht es auch um einen Ausbau des ÖPNV durch höhere Haltestellendichte und Taktung. Und es wird die Einführung eines 365 Euro Tickets diskutiert.
Wir finden diese Forderungen alle gut. Aber wir sagen: Das reicht nicht!
Solange der öffentliche Nahverkehr den kapitalistischen Marktinteressen unterworfen ist, werden wir selbst um die kleinsten Verbesserungen hart kämpfen müssen. Unser großes Ziel muss jedoch ein gut ausgebauter und ökologischer ÖPNV sein, der gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten bietet und natürlich von allen genutzt werden kann, also nichts kostet.
Das wird nur gelingen, wenn wir die Verkehrsbetriebe wieder in öffentliche Hand überführen, also vergesellschaften, und nicht mehr durch den Markt regulieren lassen. Gleichzeitig müssen wir den Einfluss der Autokonzerne auf die Politik bekämpfen und auf eine Konversion dieser Industrie hinarbeiten. Das werden die Großaktionär*innen von BMW, Audi usw. aber nicht mitmachen. Die Antwort muss daher sein: Wirtschaft demokratisieren, Kapitalismus abschaffen!